Das Frühstück war wieder typisch estnisch - für einen deutschen Magen ist das alles gut - bis auf diesen komischen Haferflockenbrei. Also ich bin ja normalerweise wirklich ein Alles(fr)esser, aber die Konsistenz ist allein für das Auge schon der schiere Hinweis, dass diese betonartige Masse doch eher an eine Wand geschmettert werden sollte, als in den Magen. Ich habe da immer Angst, dass dieser Brei sich tatsächlich dann im Bauch noch verfestigt und zu diesen Steinbrocken wird, die man nur noch in alten estnischen Burgmauern betrachten kann.
Ein eigentlich ganz netter Finne verabschiedete uns - den haben wir gestern Abend bereits kennen gelernt. Genau genommen nicht ihn, vielmehr seine Stimme, denn er sang uns gestern (er saß mit 3 Frauen auf der Terrasse) in den Schlaf. Naja, das ist jetzt etwas übertrieben -denn: wir wollten eigentlich schlafen und er raubte ihn uns. Da sein Gitarrenspiel aber nicht grundsätzlich falsch war, verzichteten wir auf die obligatorische Wasserdusche von oben und ließen ihn gewähren. Bei manchen Liedern konnten wir sogar mitsingen, eben in einer anderen Sprache. Nun - irgendwie beneidet ich ihn jetzt doch, denn er beherrschte nicht nur sein Mamasprache, sondern er sprach auch ganz locker estnisch, englisch und deutsch. Mein RRRRespekt.
Die ersten 9 km waren gleich mal Baustelle - der Straßenbelag wird erneuert. Wobei die 9 km sicherlich Luftlinie gemessen wurden. Würde ich alle Schlaglöcher, die ja ausgefahren (durchquert) werden müssen, dann sind diese 9 km maßlos untertrieben. Umso mehr freuten wir uns am Flüsterbelag, den wir dann antrafen.
Dann kam eine echt unangenehme Erfahrung...
Wir radelten so locker vor uns hin, da bemerkte ich, dass mich einige Bienen begleiteten - ausgewachsen, groß und fett - grösser als "Scharenstetter" (die Inside wissen...). In jungen Jahren - ich erinnere mich gerne - war es die helle Freude, von netten Bienchen umschwämt zu werden. Jedoch heute - und ich wusste ja gar nicht, ob die Bienen jung oder alt sind, die da permanent (und damit meine ich schon einige Kilometer) mich von vorne und hinten umkurvten. Ich ließ Anne mal vorfahren und auch sie wurde von einigen - und es wurden immer mehr - kleinen Brummern begleitet. Ca. 2 km später waren es bei mir dann sicherlich so um die 20, auch bei Anne. Ich kam mir vor wie deren Königin - jedoch bin ich ja nicht weiblich...
Schlussendlich zog ich die Notbremse. Ich wollte ja nicht alle Bienen Estlands aufsammeln. Also Geschwindigkeit auf Null reduzieren und Autan aus dem Rucksack hervorgekramt. Nun wurde die nackte Haut, die Bekleidung und die Packtaschen besprüht. Und siehe da, als wir wieder anfingen zu treten, da wurden wir plötzlich so uninteressant wie eine nasse Socke für einen Fisch. Ganz ehrlich - da habe ich mal tief durchgeschnauft, denn letztes Jahr hat mich mal so ein Bienchen ins Auge gestochen... eine Woche Totalausfall.
Und es wurde immer heißer. Und da wir uns beim Stamme der Setos befanden - es gibt in Estland noch ca. 10.000 von dieser Sorte und die meisten leben in dem Landstrich, den wir gerade am Durchqueren waren. Die Setos haben eine eigene Sprache, eigene Traditionen, die noch immer sehr gepflegt werden. Ein Holzschild wies uns den Weg in einen Hof - wir nix wie rein. Ein wunderschöner Garten lud zum Verbleib ein. Wir gingen rein ins Haus - auf der Suche nach der Dame von dem selben. Eine mächtige Gestalt kam aus der Küche, verwies auf einen Zettel, auf dem die Leckereien standen - leider in einer Sprache, bei der auch Tante Google an ihre Grenzen kam.
Wie sich alsbald herausstellte, waren es Pfannkuchen, gefüllt mit Kartoffelbrei. Und wie man sieht - ich musste diese gegen den antrabenden Puma unter Einsatz meines Lebens verteidigen. Und das Essen war lecker...
Nun kam der Aufstieg in das höchstgelegene Skigebiet Estlands. 13 km Schotterstraße führen nach oben, bei der momentanen Hitze echt kein Honigschlecken, obwohl das Skigebiet ja nun wirklich nicht halb so hoch wie Nellingen (Deutschland, schwäbische Alb, da wohne ich) liegt. In Haanja angekommen, fiel mir das Bushäuschen auf - irgendwie nett gestaltet... aber man muss natürlich schon hingucken. Der Supermarkt in der Nähe hatte noch Eis - eine willkommene Erfrischung bei dieser Affenhitze. Nun ging es noch 8 km wellig bergab zu unserer Herberge.
Eine nette Frau empfing uns höflich, sie sprach nicht vielmehr englisch als ich chinesisch. Aber Anne machte das mit dem Frühstück klar (sie kann einfach besser mit Händen und Füßen)...
Es gab noch frische Erdbeeren, Bier und Birnensekt. Das reichte aus, um in das Land der Träume zu sinken.